Seit Cicero heißt es, das Anlitz spiegele die Seele. Wenn die Fassade das Gesicht des Hauses ist, kann man davon ausgehen, dass in Analogie dazu die Oberflächen neuer und wiederhergestellter Bauten, insbesondere nach 1945, eine aufschlussreiche Wechselwirkung zwischen der architektonischen Erscheinung und dem ›Seelenzustand‹ Deutschlands abbilden. Ausgehend vom kulturellen Res(e)t in der sogenannten Stunde Null geht der Essay in beschreibender, erforschender und analytischer Perspektive der Entsprechung zwischen der Fassadengestaltung in der Nachkriegszeit und der Lage der Nation um 1950 nach. Aus welchen Gründen, jenseits billiger Baustoffe, formen sich die Fassaden deutscher Städte in jenen Ausprägungen, die man heute als eigenartig bis verstörend einzustufen geneigt ist? Warum werden manche Innenstädte, vor allem in Westdeutschland, im Wiederaufbau weitestgehend verkachelt, so dass das wiedererrichtete Stadtbild einem nach außen gekehrten Badezimmer gleicht? Was lässt sich von solchen abwaschbaren Orten, beispielsweise in Köln, ablesen? Verbergen sich hinter diesen keramischen Oberflächen nicht nur ästhetische Verunsicherungen, sondern gar die tiefen (Ab-)Gründe westdeutscher Geschmacklosigkeit?
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